Interview mit Dr. Markus Horneber, Vorstandsvorsitzender Agaplesion gAG.
Corona und die Transformation Ihrer Organisation – Hand aufs Herz: Haben wir vor einem Jahr mit unserem Fokus auf Mindset und Innovationsmanagement eventuell den falschen Schwerpunkt gesetzt, oder wie erleben Sie als Führungspersönlichkeit den (digitalen) Umbruch auch im Lichte der Pandemie?
Ganz klar Nein. Wir haben da ein hochaktuelles Thema frühzeitig auf die Agenda gesetzt!! Wir arbeiten in einem Umfeld, das durch Unbeständigkeit, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit geprägt ist, in einer „VUCA-Welt“ [VUCA: Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity, Anm. d. Red.]. Wir müssen uns immer wieder auf neue Rahmenbedingungen einstellen. Deswegen müssen wir bei allen Führungskräften, die es nicht schon haben, ein Mindset entwickeln, das aus Mut, Nachhaltigkeit, Klarheit und vor allem Agilität besteht. Nur dann sind wir offen für Neuerungen, für Innovationen und bereit, mit Umbrüchen wie sie gerade – im Rahmen der Pandemie – auf uns zukommen, umzugehen. Wir bei AGAPLESION setzen unseren Schwerpunkt aktuell genau auf die Frage nach Transformationen und werden diesbezüglich einen großen Wandel bewirken.
Agilität, Innovationsfähigkeit, Leadership, Patient Journey: Wie haben Digitalisierung und Pandemie Ihre Organisation in den vergangenen zwölf Monaten ganz konkret verändert?
Was die Digitalisierung angeht, haben wir uns ja nicht erst vor zwölf Monaten auf den Weg gemacht. Wir sind also nicht überrascht, sondern erleben eine wohltuende Beschleunigung dessen, was wir auf der Agenda hatten und haben. Bereits im Jahr 2015 haben wir die Grundsatzentscheidung getroffen, Prozesse zu standardisieren, Daten zu digitalisieren und – wo immer möglich – „Medienbrüche“ zu vermeiden. Daraus haben wir eine umfassende Digitalstrategie entwickelt, die die Bedürfnisse unserer Patientinnen und Patienten bzw. Bewohnerinnen und Bewohner in den Mittelpunkt stellt. Wir treiben die Digitalisierung schon seit Jahren in unseren Einrichtungen konsequent voran und haben schon Ende 2019 eine digitale Patientenakte in fast allen Krankenhäusern von AGAPLESION gebaut. Zudem haben wir bereits 2017 das mobile Arbeiten für unsere Mitarbeitenden ermöglicht. Dies führte dazu, dass bereits kurz nach Beginn der Pandemie viele unserer Verwaltungskräfte das mobile Arbeiten anwenden konnten. Aber man muss natürlich feststellen, dass die Pandemie der Digitalisierung noch einmal einen enormen Schub gegeben hat. Viele digitale Services, wie eine Videosprechstunde oder Kommunikationslösungen mit den Angehörigen, haben einen enormen Aufschwung erlebt und werden erst jetzt intensiv und in Gänze genutzt. Aber auch Lösungen für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wie E-Learnings, werden nun viel besser angenommen. Auf Verwaltungsebene und konzernübergreifend finden derzeit fast alle Konferenzen oder Veranstaltungen digital statt. Das ist gut umsetzbar, aber trotzdem ist der persönliche Kontakt unglaublich wichtig und nicht zu ersetzen. Ich freue mich also sehr auf die Zeit, in der ich mich wieder unbesorgt mit meinen Kolleginnen und Kollegen persönlich vor Ort in den Einrichtungen treffen kann.
Vor einem Jahr haben Sie sich selbst ein eher mittelmäßiges Zeugnis ausgestellt, als es um die Frage ging, wie sehr Sie das Innovationspotenzial Ihrer Organisation ausschöpfen (vgl. TL 1/2019, S. 74). Wo stehen Sie heute, zwölf Monate und eine Pandemie später – auch im Vergleich zu Wettbewerbern und anderen Sektoren?
In der Tat hatte ich AGAPLESION 2019 auf einer fünfstufigen Ratingskala – „1: Überhaupt nicht“ und „5: Absolut“ – sogar nur eine 1 ausgestellt. Da wir hart an Innovationen arbeiten, sind wir zwar ein Stück weitergekommen, also mindestens auf eine 3. Gleichzeitig haben wir aber – auch dank Corona – so viele neue Themen und Optionen entdeckt, dass wir wieder auf die „1“ zurückgeworfen sind. Durch einen breit angelegten Kulturwandel wollen wir viel mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Innovationsprozess einbinden. Ich hoffe, dass wir da in den nächsten 12 Monaten einen großen Schritt weiterkommen. Corona hat gezeigt, dass wir enormes Potenzial bei AGAPLESION haben und dieses bei Bedarf auch schnell abrufen können. Innerhalb kürzester Zeit haben wir eine komplette Parallel-, eine Krisenorganisation aufgebaut und speziell gerüstet, neue Kommunikationswege wurden geschaffen und fachübergreifende Teams ins Leben gerufen. Darauf bin ich stolz und danke allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Krise hat uns auch vor Augen geführt, welche großen Vorteile wir als Deutschlands größter christlicher Unternehmensverbund haben.
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