Prof. Dr. Isa Jahnke lehrt und forscht in den USA rund um digitales Lernen – ein Blick über den Atlantik würde sich für viele Hochschulen und Unternehmen in Deutschland lohnen, sagt sie.
„Hier in den USA lehre ich seit 2015 komplett online. Der Masterstudiengang, den ich leite, läuft sogar bereits seit 2003 online – und das ist in den USA kein Ausnahmefall. Was sich für mich im vergangenen Jahr gezeigt hat, ist: Leider gibt es – auch in Deutschland – häufig noch falsche Vorstellungen an Hochschulen oder in Unternehmen, wie erfolgreiches digitales Lernen aussieht. Es bedeutet eben nicht: Einfach das, was man zuvor in Präsenz gezeigt hat, nun per Video aufzuzeichnen und dann online zu stellen oder Live-Meetings online zu halten. Es geht um ein ganz anderes, eher asynchrones, Lern-Design und um active learning: darum, die Lernenden zu aktivieren.
Das Lernen kann dabei in drei Teile unterteilt werden: Zunächst eignet man sich Wissen an, übt es dann ein und setzt es schließlich um – und das in kurzen Modulen. Anfangs lernen die Kursteilnehmer:innen die Lernziele kennen und lesen beispielsweise kurze Texte oder schauen sich kurze Videos an. Über die Inhalte diskutieren die Lernen-den dann untereinander. Dabei geht es erst einmal darum, Wissen „anzuhäufen“. Bereits in dieser Stufe kommt es auf aktivierende Elemente an: Beispielsweise gibt es bestimmte Fragen, die die Teilnehmer angeleitet diskutieren. Im zweiten Schritt geht es dann in die Gruppenarbeit, bei der das Gelernte gemeinsam trainiert und miteinander besprochen wird – vieles davon geschieht asynchron mit E-Mails, Online-Whiteboards, Google Docs etc. Im dritten Teil setzen die Teilnehmer dann eigene Projekte zum Thema um, zum Beispiel entwickeln Lehrer digitale Einheiten. Das bespreche ich dann mit ihnen, beispielsweise gibt es ein Audio-Feedback. Zu allen Onlineaufgaben – wie etwa Gruppen-arbeiten oder Projekten – gibt es wöchentliches Feedback von mir, entweder zu jeder Person oder zu jeder Gruppe. Ein wichtiges aktivierendes Element ist, dass die Lernen-den fortlaufend Punkte erhalten – zum Beispiel, wenn sie in einem Forum miteinander diskutieren, für die Online-Gruppenarbeit und Einzelprojekte. So bleiben die Teilnehmer besser am Ball, da man eine Art Lern- oder Arbeitsrhythmus erschafft.
Damit sie durchweg motiviert sind, muss man zudem für eine teaching presence sorgen. Man muss den Kursteilnehmer*innen immer wieder kommunizieren: Ich bin als Lehrende für euch da. Ich habe virtuelle Bürozeiten, zu denen ihr mich erreichen könnt, wenn ihr Fragen habt. Für die Motivation ist außerdem die social presence wichtig: Die Teilnehmer müssen immer wissen, dass sie in einer Gruppe aktiv sind – wie etwa durch den Austausch in Diskussionsforen. Zu wissen man ist nicht allein motiviert. Wer stattdessen nicht Menschen, sondern nur Materialien zu Gesicht bekommt, steigt irgendwann aus.
Aus der Forschung wissen wir: Durch active learning lernen die Teilnehmer*innen mehr und vertiefter. Jedoch haben sie interessanterweise oft das Gefühl, dass sie weniger lernen, als wenn sie nur passiv Inhalte konsumieren. Das lässt sich darauf zurückführen, dass active learning eine höhere kognitive Anstrengung erfordert als das passive Zuhören. Das sollte man vorher den Teilnehmer*innen sagen. Wer sich darauf einstellt und weiß, dass er gleichzeitig am Ende mehr lernt, lässt sich eher auf diese Methode ein.“
Isa Jahnke ist Professorin für „Learning Design & Technologies“ und Direktorin des Information Experience Lab an der Universität von Missouri-Columbia.