Unternehmen, die sich im Ideenwettbewerb von der Konkurrenz abheben wollen, müssen laufend einzigartige Produkte auf den Markt bringen. Aber lässt sich objektiv messen, wie innovativ ein Unternehmen ist? Etliche Rankings versuchen sich daran – und müssen letztlich doch scheitern. Eine Metaanalyse mit besonderem Blick auf das Abschneiden der Gesundheitsbranche im Innovationswettkampf.
Von Jennifer Garic und Jerome Busch
Zwei von drei Deutschen greifen im Supermarkt immer wieder zu den gleichen Produkten. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Marktforschungsunternehmens Appinio. Aber nicht nur, wenn es um den Einkauf geht, sind wir Gewohnheitstiere. Neue Produkte haben es auch anderswo schwer, verschwinden oft nach wenigen Wochen aus den Regalen und von den Bestelllisten. Und doch lassen sich Unternehmen immer wieder etwas Neues einfallen, um Kunden zu gewinnen, enger an sich zu binden oder von der Konkurrenz wegzulocken. Innovation gilt gerade in an sich gesättigten Märkten als wichtiger Wachstums- und Renditefaktor. Auch in der Medizin, Medizintechnik und Pharmaindustrie stehen neuartige Produkte ganz oben auf der Wunschliste. Allein die forschenden Pharma-Unternehmen investieren in Deutschland jährlich 6,2 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung, gemessen an den von der Industrie initiierten klinischen Studien gehört das Land weltweit zu den Top 3. Und nach Analysen einer Medizintechnikstudie des Forschungsministeriums ist der Forschungs- und Entwicklungsanteil am Produktionswert in der Medizintechnik mehr als doppelt so hoch wie bei anderen Industriewaren.
Ist der Medizinsektor mit seinen Unternehmen also ganz besonders innovativ? Das kommt sehr auf die Blickrichtung an, mit der man versucht, diese Frage zu beantworten. Zeitungen, Wissenschaftler und Marktforscher versuchen sich jedes Jahr erneut an Rankings der innovativsten Unternehmen. Transformation Leader hat neun Listen näher unter die Lupe genommen, die mit ihren Methoden, dem Analyserahmen und der geografischen Ausrichtung das ganze Spektrum der Innovationsrankings abbilden, vom deutschen Mittelstand bis zum weltweiten Ländervergleich.
Der Quervergleich zeigt: Letztlich kann keine der Analysen das große Versprechen einlösen, es biete eine unbestechliche Innovationsleistungsschau. Vielmehr scheitern alle Vergleiche an bestimmten Punkten in der Analyse. Anders gesagt: Jedes der Rankings hat seine Berechtigung – aber keines ist vollständig. Steffen Strese, Professor für Innovationsmanagement an der Technischen Universität Dortmund, verwundert das nicht. Denn etwas so Abstraktes wie „Innovation“ messen zu wollen, hält er für nahezu unmöglich: „Das Problem fängt schon bei der Frage an, was Innovation für den jeweiligen ist“, erklärt er. Unternehmen können nun mal auf viele Weisen innovativ sein. Neben neuen Produkten können sie beispielsweise auch neuartige Vertriebswege, innovative Prozesse oder gänzlich andersartige Geschäftsmodelle auszeichnen: „Jedes Unternehmen jeder Branche kann innovativ sein.“ Zugleich sei klar, dass jede Branche ihre eigenen Innovationsgesetze besitzt – und dass kleine und mittelständische Unternehmen anders innovativ werden als Weltkonzerne: Ein Dentallabor hat schlicht schon mal deutlich weniger Budget, kann kaum ein Patent anmelden – kann aber trotzdem etwas fundamental anders und besser machen als die Konkurrenz.
Auf dieser Grundlage ein Ranking zu erstellen, erfordert eine Menge Gewichtungs- und Detailarbeit. Im Vorfeld sind immens viele Fragen zu klären: Welche Art von Innovation interessiert mich eigentlich? Wie lässt sie sich möglichst objektiv messen? Und wie im Vergleich zu anderen bewerten? Für all das existieren höchst unterschiedliche Ansätze. Als objektive Messeinheiten nutzen beispielsweise viele Anbieter verfügbare Daten wie die Ausgaben für Forschung und Entwicklung, die Zahl der neuen oder zitierten Patente, oder den Anteil, den neue Produkte zum Umsatz beitragen. „Man sollte sich nicht nur auf eine solche Größe verlassen. Die reinen Forschungsausgaben sagen beispielsweise nichts darüber aus, ob das investierte Geld auch zu Innovationen führt“, sagt Strese.
Andere Studiendesigner stützen ihre Rankings auf den subjektiven Eindruck von Managern und Geschäftsführern. „Branchenprofis können die tatsächliche Innovationskraft anderer Unternehmen meist gut bewerten“, lobt Uni-Professor Strese diesen Ansatz. Er empfiehlt, Rankings auf einer Mischung von objektiven Kennzahlen und subjektiven Eindrücken aufzubauen. Von sogenannten Social-Screenings hält Strese dagegen nichts. Dabei werten Marktforscher aus, wie oft Unternehmen im Internet mit dem Begriff Innovation in Verbindung gebracht werden. „So eine Untersuchung zeigt eher, wie gut die PR-Abteilung gearbeitet hat, aber nicht, wie innovativ ein Unternehmen tatsächlich ist“, sagt er. Besser sei es da schon, spezielle Forenbeiträge zu analysieren. Dort äußern sich Unternehmen, Experten und Konsumenten, sodass Forscher ein gutes Gesamtbild erstellen können.
Die neun deutschen und globalen Innovationrankings, die Transformation Leader für den Querschnittvergleich genauer analysiert hat, nutzen höchst unterschiedliche Wege zur Bewertung. Die Folge: Kaum ein Unternehmen taucht in zwei oder mehr Rankings auf. Welche Analysen sind nun besonders aussagekräftig? Wie funktionieren sie im Einzelnen? Und wie schneidet jeweils die Gesundheitsbranche ab? Die wichtigsten Innovationsrankings im Vergleich: