Ein duales Studium kombiniert Praxis und Theorie und ermöglicht eine berufsnahe Ausbildung. Erste Unternehmen und Auszubildende setzen dabei inzwischen aufs Fernstudium –und erhalten dadurch mehr Spielräume.
von Jennifer Garic
Einst war sie selbst duale Studentin, heute koordiniert Katrin Bohn ihre Nachfolger im Freiburger Gesundheitsresort, einem Gesundheitsunternehmen mit Wellnesshotel und Rehaklinik. Die Ausbildungsleiterin weiß, was Studierende beschäftigt, worauf sich ausbildende Unternehmen einstellen müssen und welche Besonderheiten ein duales Studium hat. Eines ist aber auch für Bohn relativ neu: das duale Fernstudium. Während sie bis 2017 immer zwischen Hochschule und Betrieb blockweise gependelt ist, haben ihre Nachfolger mit dem dualen Fernstudium seit Ende 2018 eine neue Option.
Bei einem dualen Fernstudium gibt es kein klassisches Blockmodell. Stattdessen arbeiten die Auszubildenden ganz normal im Betrieb mit, an ein oder zwei Tagen die Woche widmen sie sich dann Onlinevorlesungen, Präsentationen, Praxisberichten und bearbeiten Aufgaben – je nachdem wie es der Dienstplan zulässt. Das duale Fernstudium ist noch jung, nur wenige Hochschulen bieten es an. Dementsprechend greifen auch nur wenige Unternehmen darauf zurück.
Für Expertinnen wie Silvia Hofmann ist es ein Format mit erheblichem Entwicklungspotenzial. Sie ist beim Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) für das Fachportal AusbildungPlus tätig, Entwicklungen im dualen Studium sind ihr Steckenpferd. Sie weiß: Nicht überall, wo dual draufsteht, steckt auch ein duales Studium dahinter. Und das Problem gibt es nicht nur bei Präsenzstudiengängen, sondern auch beim dualen Fernstudium. Oft handelt es sich stattdessen um berufsbegleitende Weiterbildungen oder ein einfaches Studium, das neben dem Job möglich sein soll. Doch ein vollwertiges duales Fernstudium muss, um dem Namen gerecht zu werden, im Bachelor ausbildungs- und im Master berufsintegrierend sein. Das heißt: Die Ausbildung im Betrieb und an der Hochschule sollen Hand in Hand gehen, sich ergänzen. Der Ausbildungsvertrag ist Voraussetzung für das Studium und nicht optional. Im Master muss ein Angestelltenverhältnis bestehen, im besten Fall hat es einen gewissen Ausbildungscharakter.
Da die Fernvariante des Studiums noch recht neu ist, gibt es noch keine Erhebungen dazu, wie viele Studierende das Angebot nutzen. Das duale Studium selbst wird in jedem Fall immer beliebter. Allein im Bereich Sozialwesen, Gesundheits- und Therapiewesen sowie Erziehungswissenschaften gab es 2019 bundesweit 173 duale Studiengänge und fast 14.000 Studierende. Seit 2004 hat sich das Angebot versechsfacht, zeigen Zahlen des Ausbildungsportals AusbildungPlus. Insgesamt machen Studiengänge im Bereich Soziales, Pflege, Erziehung und Gesundheit jedoch nur rund zehn Prozent im dualen Bereich aus. Da deutschlandweit bislang nur sehr wenige das duale Fernstudium nutzen, setzt Katrin Bohn auf ihre eigene Erfahrung. Sie betreut als Ausbildungsleiterin des Freiburger Gesundheitsresorts und der dazugehörigen Mooswaldklinik auch junge Kollegen, die ein duales Studium machen. Aus ihrer Sicht klappt die Koordination der Lerninhalte sehr gut – in der Vor-Ort- und in der Fernvariante: „Ich hatte im klassischen dualen Studium für meinen Bachelor in International Business Management und Sportmanagement feste Lernblöcke. Drei Monate an der Hochschule, drei Monate in der Klinik – und dann wieder von vorne.“ 15 ihrer Schützlinge im Gesundheitsresort studieren auch heute noch nach diesem Prinzip. Eine Mitarbeiterin entschied sich für die neue Studienvariante. Sie arbeitet im betrieblichen Gesundheitsmanagement und in der Sporttherapie. „Sie wollte einen Master machen, ohne dafür lange Zeit weg zu sein“, erklärt Katrin Bohn. Da bot sich ein duales Fernstudium an.
Die Idee kam vom Geschäftsführer der Mooswaldklinik. Er hatte Kontakt zu Simon Kellerhoff, der aktuell versucht, mehr Unternehmen für das duale Fernstudium zu begeistern. Er leitet den Vertrieb des Fachbereichs Gesundheit und Wellness an der privaten IST-Hochschule für Management mit Sitz in Düsseldorf. Es ist eine der wenigen Hochschulen, die neben Weiterbildungen und normalen Fernstudiengängen auch ein vollwertiges, also praxisintegriertes duales Fernstudium anbieten.
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Während seine Kollegen in den Fachbereichen Tourismus & Hospitality, Sport & Management, Kommunikation & Wirtschaft sowie Fitness viele Bewerbungen von Studierenden und Anfragen von Unternehmen bekommen, hält sich das Interesse in seinem Bereich noch in Grenzen. „Viele Ausbildungsleiter und Klinikchefs vertrauen auf altbewährte Ausbildungsformen“, sagt Kellerhoff. Oft gebe es auch finanzielle Vorbehalte. Denn die Studiengebühren bei der dualen Variante trägt in der Regel das Unternehmen, die Studenten erhalten ein ausbildungsähnliches Gehalt, im Master mehr. Der Bachelor Management im Gesundheitswesen an der IST-Hochschule kostet zum Beispiel 329 Euro im Monat, fast 14.000 Euro über die gesamte Studiendauer. Vielen Betrieben ist das zu teuer, so Kellerhoff, zumal im Management und Verwaltungsbereich seit Jahren gespart werde. Noch dazu gibt es einen weitaus günstigeren Ausbildungszweig, mit dem das Angebot der Hochschule konkurriert: „Viele Betriebe denken: Wenn ich einfach eine kaufmännische Ausbildung anbiete, zahlt ja die Industrie- und Handelskammer die Ausbildungskosten. Also spar ich mir das Studium.“
Die Wünsche der Nachwuchskräfte sehen jedoch häufig anders aus, berichtet Katrin Bohn: „Die Nachfrage der Ausbildungssuchenden geht eindeutig Richtung Studium.“ Nun könnten sich Unternehmen natürlich auch Ausbildungskosten sparen und versuchen, direkt studierte Fachkräfte zu gewinnen. Für Bohn ist das jedoch keine Option: „Bei normalen Bachelorabsolventen fangen wir bei null an, da diese kaum Praxiserfahrung im Studium sammeln. Und wenn wir duale Absolventen einstellen, haben diese zwar Praxiserfahrung, aber meist nicht jene, die wir benötigen.“ Deswegen setzt das Gesundheitsresort weiterhin darauf, Nachwuchskräfte im Rahmen des dualen Studiums selbst auszubilden. Bohn merkt auch, dass die Unterstützung im Studium einen sehr positiven Eindruck bei den Studierenden hinterlässt. „Duale Studenten bleiben gerne in ihrem Ausbildungsbetrieb. Sie merken, dass wir uns für sie einsetzen und sie unterstützen.“
Wichtig ist bei dualen Studiengängen in jedem Fall eine enge Zusammenarbeit von Hochschule, Unternehmen und eventuell Berufsschule, betont BIBB-Expertin Hofmann. Dabei müssten sich alle Akteure übergreifend und umfassend abstimmen. „Und wenn es damit schon im Präsenzunterricht nach wie vor Herausforderungen gibt, fürchte ich, stellen sich diese Anforderungen in einem Format des Fernunterrichtes umso mehr.“
Das duale Fernstudium hat andererseits einen bedeutenden Vorteil für den Ausbildungsbetrieb und die Auszubildenden: Sie können flexibler agieren. Denn an der Fernhochschule gibt es keine festen Vorlesungszeiten, alle Lerneinheiten stehen auf Abruf bereit. Für Krankenhäuser und Reha-Einrichtungen bedeutet das: Wechselnde Schichten sind kein Problem. Gleichzeitig müssen die Studierenden, wie bei jedem Fernstudium, viel Selbstdisziplin aufbringen und ihre Zeit gut einteilen.
Trotz der vielen Vorteile – flexible Einsatzzeiten der Studenten, keine langen Abwesenheiten, kein Pendeln zur Hochschule – ist das duale Fernstudium bisher nur eine Randerscheinung auf dem Ausbildungsmarkt. Das Modell muss erst noch beweisen, ob es den heiß umkämpften Arbeitsmarkt im Gesundheitsbereich verändern kann.