Von der Entscheidungshilfe bei der Bewerberauswahl bis zum automatischen Buchhaltungssystem: KI kann in der Verwaltung von Gesundheitseinrichtungen in vielen Bereichen unterstützen. Dabei sollte man sich aber davor hüten, in zu große Abhängigkeiten zu geraten.
Von Philipp Köbe
Die meisten Konzepte zur Anwendung künstlicher Intelligenz (KI) sind auf die Kernprozesse der Wertschöpfung ausgerichtet. Sei es Industrie 4.0 im produzierenden Gewerbe oder das Smart Hospital mit dem KI-Einsatz in diagnostischen und therapeutischen Prozessen. Die Verwaltung einer Organisation kann jedoch ebenfalls von Effizienzgewinnen und besseren Ergebnissen durch KI-Anwendung profitieren. Die Management-Prozesse, unter anderem im Personal- oder Rechnungswesen, sind zwar hinreichend durch IT-Systeme digitalisiert. Sie nutzen in der Regel jedoch noch keine KI-Systeme.
KOSTSPIELIGE DATENMENGEN
Zwei grundlegende Probleme sind bei den meisten KI-Anwendungen vorab zu bedenken. Zum einen werden für das Training eines Algorithmus große Datenmengen in geeigneter Qualität benötigt. Ist der Algorithmus nicht gut trainiert, kann es beispielweise dazu kommen, dass bestimmte Personengruppen bei der Bewerber-Vorauswahl durch eine KI diskriminiert werden, weil die Daten suggerieren, dass eher männliche Bewerber für diese Tätigkeit geeignet scheinen. Zum anderen ist es teuer, KI-Systeme anzuschaffen und zu implementieren. Sie lohnen sich nur dann, wenn der Effizienzgewinn einer Maßnahme sich hinreichend auszahlt. Produktivitätsfortschritte können sich in der Freisetzung oder Reorganisation von Stellen äußern. Krankenhäuser, Krankenversicherungen und andere Gesundheitsbetriebe haben ihre Verwaltungen bereits in Shared Service Centern zusammengeschlossen. Unter dem Begriff Shared Services werden die Konsolidierung und Zentralisierung von Dienstleistungsprozessen einer Organisation verstanden. Dabei werden gleichartige Prozesse aus verschiedenen Bereichen eines Unternehmens beziehungsweise einer Organisation zusammengefasst und von zentralen Stellen oder Abteilungen erbracht. Im Gegensatz zum Outsourcing setzt man bei Shared Services darauf, Kompetenzen und Aufgaben innerhalb der Organisation zu bündeln. Dabei kann unter anderem eine Service-Einheit auf administrative Aufgaben, wie Personal- und Rechnungswesen, oder Daten-Services, wie IT und Controlling, ausgerichtet sein. Mithilfe von Shared Service Centern können Größenvorteile zur Realisierung von KI-Anwendungen in der Verwaltung genutzt werden. Je mehr Transaktionen eines Typs die KI abwickelt, umso geringer sind die Kosten pro Transaktionseinheit. Finden viele Transaktionen statt, stehen zudem ausreichend Daten für das Training des Algorithmus zur Verfügung.
ALGORITHMEN-ENTWICKLUNG OUTSOURCEN
Die Entwicklung von Algorithmen gehört jedoch nicht zur Kernkompetenz von Kliniken oder sonstigen Einrichtungen der Gesundheitsversorgung. Diese Aufgabe sollte daher als Software-as-a-Service eingekauft beziehungsweise outgesourct werden. Aufgrund der besonderen Investition in KI-Systeme mit einer entsprechenden Laufzeit und einem Know-how-Transfer durch die Datenbereitstellung, sollte die Kooperation mit Soft-ware-Dienstleistern als strategische Partnerschaft ausgerichtet sein. Einzelne Teilprozesse lassen sich an diese Dienstleister auslagern (vgl. Abb. 1). Da die Verwaltung jedoch elementar dafür ist, dass eine Organisation funktioniert, müssen diese Prozesse stetig im Interesse des Kunden weiterentwickelt, sowie eine Abhängigkeit von einzelnen Dienstleistern minimiert werden. Diese Art des Outsourcings bietet einer Gesundheitseinrichtung, wie einem Klinikverbund, die Möglichkeit nicht vorhandenes Know-how mittelfristig in die Management-Prozesse einfließen zu lassen – und das, ohne selbst die Programmier- und Entwicklungsarbeiten leisten zu müssen.
Empfehlenswert ist es in jedem Fall, verschiedene Dienstleister für unterschiedliche Aufgabenfelder zu nutzen – auch wenn dadurch die Komplexität steigt und viele Schnittstellen entstehen. Denn die Zusammenarbeit mit einem oder wenigen Dienstleistern führt zu einer großen Abhängigkeit, die zu stark steigenden Preisen oder mangelnder Qualität führen kann.
Professor Gerhard Hammerschmid ist Direktor am Centre for Digital Governance der Hertie School in Berlin. Er forscht zur digitalen Transformation der öffentlichen Verwaltung. „Wirft man einen Blick auf bereits umgesetzte oder sich in Umsetzung befindliche Anwendungen in Deutschland, so entfällt ein großer Teil auf KI-basierte Prozessautomatisierungssysteme, wie beispielsweise KI-gestützte Posteingänge“, so Hammerschmid. „Weitere relevante Anwendungsfelder in Deutschland sind ,Kognitive Robotik‘ und ,Autonome Systeme‘ sowie ,Virtuelle Agenten‘.“
AUTONOMIE UND NICHT-AUTONOMIEDER KI IN DER VEWALTUNG
Grundsätzlich lässt sich KI für die Verwaltung in vier Typen einteilen (vgl. Abb. 2). Sie unterscheiden sich in ihrer Abgrenzung hinsichtlich der menschlichen Beteiligung und der Adaption beziehungsweise Weiterentwicklung des Systems.
ASSISTED INTELLIGENCE
Die Assisted Intelligence unterstützt Menschen bei Tätigkeiten oder der Entscheidungsfindung. Dabei lernen die Systeme nicht selbstständig anhand von Interaktionen, sondern werden vorher für eine Aufgabe mit Dateninput trainiert. Diese Art der KI kann bei der Vorauswahl geeigneter Bewerber in Personal-Abteilungen zum Einsatz kommen. Dabei dienen Einstellungskriterien aus der Stellenbeschreibung als Filter, die die KI beim Screening der Bewerbungsunterlagen systematisch prüft. Abschließend unterstützt die KI den HR-Mitarbeiter bei der Entscheidung, welche Bewerber für die Stelle besonders geeignet sind.
AUGMENTED INTELLIGENCE
Bei der Augmented Intelligence werden Menschen nicht nur bei der Entscheidungsfindung unterstützt, sondern das System lernt fortlaufend aus Interaktionen mit Menschen. Dadurch wird der Algorithmus, dem die KI zugrunde liegt, immer weiter an die Bedürfnisse der Tätigkeit oder des Nutzers angepasst. Sowohl im Kundenservice, beispielsweise bei Krankenkassen, als auch in Personalabteilungen können Chat-Bots einfache Kommunikationsaufgaben übernehmen. Der Kundenservice auf einer Website beantwortet Fragen durch ein trainiertes Q&A-Raster oder navigiert den Chat-Nutzer über gezielte Rückfragen auf eine FAQ- oder Hilfe-Seite. Im HR-Bereich können Chat-Bots ebenfalls Fragen der Mitarbeiter beantworten, indem sie auf Daten der IT-Systeme oder das Intranet zurückgreifen: beispielsweise zu verfügbaren Urlaubstagen oder Anträgen. Die HR-Mitarbeiter werden dadurch bei Routinefragen entlastet. Die Mitarbeiter profitieren von einer 24/7-Verfügbarkeit.
AUTOMATION
Das Automationskonzept ist wiederum ein nicht adaptives System ohne menschliche Beteiligung. Hier werden manuelle und kognitive Prozesse automatisiert. Dabei kann es sich sowohl um Routineaufgaben als auch um nicht routinemäßig auftretende Prozesse handeln. Ein Beispiel ist die vollautomatische digitale Postverteilung. Dabei wird über eine Scanner-Straße die gesamte Eingangspost eingescannt und anschließend an den passenden Adressaten per E-Mail weitergeleitet. Ein anderes Anwendungsbeispiel ist die vollautomatische Nachbestellung von Verbrauchsmaterialen. Wird ein bestimmter Mindestbestand an Verbrauchsgütern auf einer Station erreicht, bestellt das System automatisch beim Lieferanten oder in zentralen Verteilzentrum die entsprechenden Artikel nach.
AUTONOMOUS INTELLIGENCE
Bei der Autonomous Intelligence handelt das System vollständig autonom, ohne dass Menschen interagieren müssen. Das System passt sich dabei ständig an veränderte Rahmenbedingungen an und lernt stetig dazu. Diesem System geht ebenfalls, wie bei allen anderen Arten auch, ein umfangreiches Trainingsverfahren des Algorithmus voraus. In der Verwaltung ist ein derartiges System denkbar bei einer voll automatisierten Buchhaltung. Alle eingehenden Rechnungen werden automatisiert zugeordnet, geprüft, gebucht und archiviert. Menschliche Interaktionen sind nur in Ausnahmefällen, beispielsweise bei einzelnen Rechnungsfreigaben, notwendig. Neue Kreditoren werden automatisch im System mit allen notwendigen Daten angelegt. Durch eine Schnittstelle zum Enterprise-Resource-Planning-System oder zur Materialwirtschaft können eingegangene Lieferungen automatisiert abgefragt werden, sodass die Rechnungen ohne persönliche Freigabe verarbeitet werden. An solchen Lösungen arbeitet auch das Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS in Sankt Augustin. Dort geht es unter anderem um Natural Language Understanding. Das IAIS hat in Zusammenarbeit mit einem Dienstleistungsunternehmen eine auf KI-Basis arbeitende Software zur Abrechnung im Krankenhaus entwickelt. „Zum Beispiel kann sie für die Kodierung relevante Textstellen in den Krankenakten nahezu selbstständig identifizieren und für die Nutzer visualisieren“, erklärt Sven Giesselbach, Teamleiter Natural Language Understanding am Fraunhofer IAIS, in einem Beitrag auf der IAIS-Internetseite.
Was das IAIS für den begrenzten Prozess der Kodierung entwickelt hat, lässt sich im Prinzip auch auf die gesamte Buchhaltung übertragen. Am Ende könnten so sämtliche Buchungsprozesse nahezu vollautomatisch vonstattengehen.
Philipp Köbe ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Management und Innovation im Gesundheitswesen an der Universität Witten/Herdecke.