Erfolgsfaktoren für Innovation Hubs

Unternehmen können Innovationsfähigkeit lernen. In ihren Innovation Hubs aber sehen sie oft den Unterschied zwischen Effizienz und Effektivität nicht.

Von Andreas Braun und Beatrice Hübner

Glaubt man Insidern, schlug Clayton Christensens Buch „The Innovator‘s Dilemma: When New Technologies Cause Great Firms to Fail“ im Silicon Valley wie eine Bombe ein. In diesem Mikrokosmos aus Entrepreneuren, die es geschafft haben, und solchen, die es noch schaffen wollen, lösten die Gedanken des inzwischen leider verstorbenen Harvard-Professors ganz unterschiedliche Gefühle aus:

• Den jungen Start-ups, die noch an ihrem Durchbruch arbeiteten, gab es die Hoffnung, sie könnten mit ihren Geschäftsideen, ein bisschen Glück und dem richtigen Timing ganze Industrien umkrempeln.

• Bei den inzwischen groß gewordenen Unternehmen sorgte es für Panikattacken, weil sie das nächste Opfer dieser kreativen Zerstörungen sein könnten, obwohl sie doch aus einer inneren Logik heraus alles richtig machen.

Das Innovator’s Dilemma besagt, dass große Unternehmen vor allem auf ihre Kunden achten – warum auch nicht? – und deshalb ihre bestehenden Produkte nach deren Wünschen verbessern – was im Prinzip schlau ist! Unternehmen, die neu in den Markt kommen, bleibt meist nur die Nische, meist nur der eher unattraktivere Teil mit den niedrigen Margen. Weil die Nische klein und die Zahlungsbereitschaft niedrig ist, sind die Produkte der Neuen anfangs auch bei Weitem nicht so gut wie die der Platzhirsche, die die neuen Wettbewerber entweder erst gar nicht registrieren oder – wenn doch zufällig entdeckt – milde belächeln.

Stellen Sie sich eine Sekunde vor, es ist das Jahr 2009, Sie sind der Chef der Hotelkette Hilton und hören – eher durch Zufall – von der Geschäftsidee einer Truppe von Couchsurfern aus San Francisco, die über eine Internetseite Schlafgelegenheiten in Privatwohnungen anbieten. Kaum vorstellbar, dass Sie in Panik verfallen und eine sofortige Krisensitzung einberufen. Warum auch? Nicht Ihr Markt, nicht Ihre Kundengruppe, nicht Ihre Klasse. Warum sollten Sie Ihre hochwertigen, profitablen Produkte durch ein minderwertiges Angebot kannibalisieren?

Dass die Marktkapitalisierung von Hilton knapp 12 Jahre später bei rund 30 Milliarden und die der Couchsurfer-Truppe namens Airbnb gut dreimal so hoch sein wird, hätte Ihnen wahrscheinlich dann doch den Angstschweiß auf die Stirn getrieben. Und zwar zu Recht!

WENN DIE GOLIATHS PLÖTZLICH ALT AUSSEHEN

Weil die neuen Wettbewerber anfangs entweder nicht entdeckt oder – und das ist fast noch fataler – ignoriert werden, können sie sich Stück für Stück hocharbeiten und damit in die richtig profitablen Segmente des Marktes vorstoßen. Mit ihrem innovativen Ansatz – als „Disruptive Innovation“ bezeichnet – lassen die Davids die Goliaths plötzlich alt aussehen und zerlegen nebenbei ganze Industrien. Inzwischen ist aus dem Couchsurfer von einst ein ernst zu nehmender Wettbewerber für die Hotelindustrie geworden. Mit dem nötigen Kleingeld lassen sich auf airbnb.com inzwischen ganze Häuser für 5.000 Euro die Nacht anmieten.

Nicht alles was als disruptive Innovation bezeichnet wird, ist es auch. „Wir haben da was ganz Neues, total Disruptives!“ berichtete der Produktmanager eines großen, erfolgreichen Schweizer Unternehmens in der Baubranche ganz aufgeregt. Ohne zu viel in die Details gehen zu wollen . . . Es war eine Prozessinnovation, ein interessantes, neues Verfahren, um den Baufortschritt auf Baustellen zu beschleunigen. Nur leider eben nicht disruptiv!

Das Etikett „disruptiv“ werde viel zu sorglos verwendet, schreibt Christensen 2015 in einem Harvard-Business-Review-Artikel etwas genervt vom Erfolg seines Konzepts. Uber und Tesla haben spannende, industrieverändernde Innovationen hervorgebracht. Sie sind nur eben nicht disruptiv im Christensen’schen Definitionssinn. Wikipedia und Airbnb dagegen schon. Der Punkt bei Disruption ist: kleines Unternehmen adressiert einen Low-Budget-Nischenmarkt! Tesla beispielsweise stieg mit einem teuren Modell in den Markt ein und verbreiterte mit jedem weiteren Modell die Käuferschicht. Man könnte das bestenfalls eine Reversed Disruption nennen.

Für disruptive Innovationen gab es lange Zeit kein Gegenmittel – bis Christensen auf die Idee mit den Innovation Hubs kam. Sie gelten als Möglichkeit, technologische Entwicklungen zu antizipieren, disruptive Innovationen frühzeitig zu erkennen, und mögliche Start-ups, die irgendwann Wettbewerber werden könnten, zu umarmen. Sie bieten Platz für hoffnungsvolle Geschäftsideen von Intrapreneure und Entrepreneure gleichermaßen. Und sie sind – auch wenn sich das auf den Internetseiten der Unternehmen oftmals anders liest – keinesfalls altruistisch-motiviert, sondern zumindest bis zu einem gewissen Grad Ausdruck für die Angst der saturierten Großen vor den kleinen Kreativen.

FAST JEDER DAX-KONZERN HAT EIGENE PROGRAMME

Inzwischen betreiben so gut wie alle im Deutschen Aktienindex versammelten Unternehmen Start-up- und Innovationsprogramme. Meist sogar mehrere parallel. Einige operieren als Inkubatoren, geben also Anschubfinanzierungen in der Frühphase, wie zum Beispiel hub:raum der Telekom und die Denkfabrik der Deutschen Bank. „Den Innovationstransfer zu fördern und Geschäftsmöglichkeiten für beide Seiten zu schaffen“ hat sich beispielsweise hub:raum auf die Fahnen geschrieben. Andere bieten als Acceleratoren Anschubfinanzierungen für Produkt- und Marktentwicklung, wie etwa das Ideation Hub von Volkswagen und leAD Sports von Adidas. „Wir wollen kein Start-up mit einer guten Idee übersehen“, heißt es dazu bei Volkswagen. Gut ein Viertel der DAX-betriebenen Innovation Hubs sitzt in Berlin. Hinzu kommen noch die Initiativen der internationalen Unternehmen in der Hauptstadt. Das führt zuweilen dazu, dass das Angebot die Nachfrage zu übersteigen scheint. Es sei schwierig, klagt der Leiter eines Berliner Hubs, genügend geeignete Kandidaten für all die freien Plätze zu finden.

Was aber noch schwerer wiegt, ist die Frage, inwieweit die Innovation Hubs in ihrer jetzigen Aufstellung überhaupt dazu geeignet sind, bahnbrechende, radikale Innovationen hervorzubringen. Bekanntlich macht es einen Unterschied, die richtigen Dinge zu tun, und Dinge richtig zu tun! Es geht also um Effizienz! Folgt man den Maßgaben von Christensen, sollten diese Hubs (1) die nötige Rückendeckung und Gestaltungsfreiheit vom Topmanagement erhalten, (2) sollten sie als kleine, unabhängig Einheiten agieren, sowohl organisatorisch als auch finanziell und (3) sollten sie möglichst ihre eigene Kultur und Strategie entwickeln können. Eine Untersuchung der BSP Business School Berlin kommt zu gemischten Ergebnissen. Für die Studie wurden Interviews geführt, Internetseiten ausgewertet und MitarbeiterInnen befragt.

Ad 1: Rückendeckung durch das Management

In den Führungsetagen deutscher Unternehmen scheint die Botschaft angekommen zu sein; Innovation Hubs werden ernst genommen. Die große Mehrheit der Befragten gab an, die nötige Rückdeckung durch das Topmanagement zu haben. „Wir sind mehr als nur das Sahnehäubchen“, sagt eine Hub-Mitarbeiterin. Gleichzeitig besteht ein konstanter Erwartungs- und Rechtfertigungsdruck durch die „normalen“ MitarbeiterInnen im Mutterunternehmen. Dieser Druck scheint umso größer, je geringer die räumliche Nähe des Innovation Hubs zum Mutterunternehmen ist. Um die Akzeptanz für die Innovation Hubs zu erhöhen, ist ein umfassendes Stakeholder-Management erforderlich.

Ad 2: Kleine, flexible, unabhängige Einheiten

Der Großteil der untersuchten Innovation Hubs sind als kleine Teams aufgestellt, die mit ihrem Methodenset und in ihrer Prozessausgestaltung ein hohes Maß an Flexibilität zeigen. Gebremst wird diese Agilität meist dann, wenn das Mutterunternehmen, beispielsweise in Form von Innovationsgremien, eingebunden ist, und über die Weiterverfolgung von Projekten oder die Höhe von Budgets entscheidet. Solche Schnittstellen beschränken laut Christensen die Unabhängigkeit der Hubs und wirken sich negativ auf die disruptive Innovationsfähigkeit aus. Noch wichtiger: Innovation Hubs sollten – was die finanziellen Mittel betrifft – nicht im Wettbewerb mit den Projekten des Mutterunternehmens stehen. Inwieweit dies auf die untersuchten Innovation Hubs zutrifft, konnten die Interviews nicht klären.

Ad 3: Eine eigene Hub-Kultur und -Strategie

Die räumliche, organisatorische und finanzielle Abhängigkeit der Innovation Hubs hat auch Auswirkungen auf die Kultur und Strategie. Eine seiner Aufgaben, so einer der Hub-Leiter, sei es, trotz der vielfältigen Verknüpfungen zum Mutterunternehmen, eine eigenständige Kultur aufzubauen. Als wichtiges Differenzierungsmerkmal wird dabei die Fehlerkultur bzw. Fehlertoleranz bezeichnet. Beim Thema Strategie agiert ein Großteil der untersuchten Innovation Hubs als Portfolio-Expander und Prozess-Beschleuniger. Dies legt den Schluss nahe, dass die Funktion der Innovation Hubs weniger dar-auf liegt, disruptive Innovationen hervorzubringen, sondern vielmehr darin als Beschleuniger eines unternehmensweiten Kulturwandels, als Türöffner zu unternehmensexternen Wissensquellen und als Anbahner für Kooperationen mit dem Mutterunternehmen zu fungieren. Zusammenfassend lassen sich auf Basis der untersuchten Innovation Hubs zwei Typen identifizieren: die unabhängigen Hubs, die gleichsam prototypisch den Grundgedanken von Christensen folgen und die angrenzenden Hubs, die – wohl auch der normativen Kraft des Faktischen folgend – eine abgeschwächte Variante des Idealtypus darstellen. Egal, welcher der beiden Ansätze Innovation Hubs folgen, sie können als Katalysator für den Wandel dienen, als Treiber und Brutstätte für Innovationen, als Netzwerker zu anderen Akteuren, als Anbahner für Kooperationen – oftmals vielleicht sogar besser als die Mutterunternehmen selbst.

ERFOLGSFAKTOREN FÜR INNOVATION HUBS

  1. High-Management-Backing = die Unterstützung seitens des Topmanagements, das über die Ressourcenverteilung im Mutterunternehmen entscheidet.
  2. Willlingness to invest = die Investitionsbereitschaft des Mutterkonzerns und das daraus resultierende verfügbare Budget für die Innovation Hubs.
  3. Teamzusammensetzung = MitarbeiterInnen, die über Kreativität und Flexibilität verfügen sowie ein hohes Commitment zum Innovation Hub zeigen.
  4. Nähe zu Geschäftsbereichen = ein guter Kontakt und schnelle Kommunikation zu den Schlüsselabteilungen im Mutterunternehmen.
  5. Relevanz der Strategie = Festlegung auf Zukunftsthemen, die für das Mutterunternehmen von hoher strategischer Bedeutung sind.
  6. Akzeptanz erzeugen = der Innovation Hub muss mit seinen Projekten und daraus resultierenden Erfolgen ständig seine Relevanz unter Beweis stellen.

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