KI und die Transformation der Pharmaindustrie

Wir können klinische Studien beschleunigen, indem wir Algorithmen und Daten nutzen, sagt Dr. Vipin Gopal, Vice President and Chief Data and Analytics Officer beim Pharmakonzern Eli Lilly.

Interview: Dr. Stephan Balling

Herr Dr. Gopal, welche Rolle spielt Big Data in der Pharmaindustrie?

Ich habe 25 Jahre im Bereich Data und Analytics gearbeitet und gesehen, wie der Einfluss von auf Big Data basierenden Technologien rasch wächst und Geschäftsmodelle fundamental verändert. Die zweite Hälfte meiner Karriere ist im Gesundheitswesen und diese Transformation findet auch dort auf breiter Basis statt. Zum Beispiel haben sich die Geschäftsmodelle der Krankenversicherungen als Folge von Datenanalytik dramatisch verändert.

Worin besteht Ihre Aufgabe bei Lilly?

Meine Rolle besteht aus zwei Komponenten – die erste ist sicherzustellen dass unsere Datenvermögen sehr strategisch verwaltet werden, die zweite ist, diese Daten zu nutzen durch erweiterte Analysen, um differenzierte Erkenntnisse und Lösungen zu erhalten. Der Wert von künstlicher Intelligenz (KI) und Machine Learning (ML) kann nur realisiert werden, wenn es große Mengen von qualitativ hochwertigen Daten gibt. Im Gesundheitswesen existieren solche Daten, aber sie sind oftmals verstreut. Die Möglichkeiten, all diese Daten zusammenzuführen, um leistungsfähige Lösungen zu entwickeln, sind enorm.

Wo steht die Pharmaindustrie, wo steht Eli Lilly, wenn es um diese digitale Transformation geht?

Die Pharmaindustrie ist wahrscheinlich noch im Frühstadium der digitalen Transformation, etwa im Vergleich zu vielen anderen Industrien. Aber ich sehe große Möglichkeiten für die Pharmaindustrie, mittels „advanced data“ und Analytik in die Zukunft zu gehen.

Welche zum Beispiel?

Denken Sie an die langen Entwicklungsphasen und die Erfolgsraten. In der Industrie insgesamt dauert es im Schnitt etwa zehn Jahre von der Entwicklung eines Medikaments bis zu dessen Zulassung und anschließend der Vermarktung. Nur eine von acht Arzneien, die in eine Phase-1-Studie eintritt, kommt am Ende auf den Markt. Das bedeutet, dass ungefähr 88 Prozent der Moleküle (Wirkstoffe, Anm. d. Red.) scheitern. Advanced Data und Analysen können die Industrie potentiell transformieren, wenn wir die Erfolgsquote von derzeit zwölf Prozent steigern und die Entwicklungszeiten verkürzen, um Medikamente schneller in die Hände von Patienten zu bekommen.

Wie kann das erreicht werden?

Lassen Sie uns das Gebiet der klinischen Studien betrachten. Wir nutzen fortgeschrittene Analysemethoden wie Prognosemodelle, um die besten Standorte für klinische Studien zu identifizieren und die besten Studiendesigns. Viele Daten wurden gewonnen aus Studien, die über viele Jahre in der Vergangenheit durchgeführt wurden. Wir können diese Daten zum Beispiel nutzen, um zu lernen, wie wir künftige Studien durchführen, welche Designs Sinn ergeben, mit welchen Patienten und wo. Anstatt zu sagen, wir kennen einen Wissenschaftler, mit dem wir in der Vergangenheit zusammengearbeitet haben, und den fragen wir für eine Studie an, können wir für diese Entscheidung künftig Daten nutzen.

„Wir verfolgen eine Philosophie der Right Data. Ziel ist, die richtigen Daten zu haben, nicht einfach viele Daten.“

Geht es dabei um Big Data oder um Smart Data?

Wir verfolgen eine Philosophie der Right Data. Ziel ist, die richtigen Daten zu haben, nicht einfach viele Daten. Es gibt die Tendenz, so viele Daten wie möglich zu sammeln und dann zu schauen, was für ein Problem sich damit lösen lässt. Oftmals ist es besser, zunächst das Problem zu definieren und dann zu prüfen, welche Daten man benötigt, um es zu lösen. Wir fokussieren also auf die richtigen Daten, was nicht bedeutet, dass das Volumen und die Qualität der Daten nicht wichtig sind.

Google, Apple und Amazon wollen in das Gesundheitssystem vorstoßen. Wie wichtig ist es für ein Pharmaunternehmen, eigene technologische Kompetenz zu haben, etwa in den Bereichen KI oder Big Data?

Es ist sicherlich ein Vorteil, Experten zu haben, die beide Welten verstehen. Pharmaunternehmen bringen das Fachwissen in den Bereich ein und große Technologieunternehmen bringen innovatives Denken ein, um Problemlösungen auf neue Weise zu betrachten. Eine Partnerschaft ist daher wichtig und deshalb arbeiten wir eng mit Technologieunternehmen zusammen. Allerdings verfügen wir bei Lilly über starke Teams und sind in einer Reihe von Bereichen führend, zum Beispiel im Bereich des Deep Learning.