New Work: Spaß am Lernen und digital fit werden – Henkel bildet 53.000 Mitarbeiter weiter

Der Konsumgüter-Konzern Henkel hat eine digitale Fortbildungsinitiative für seine 53.000 Mitarbeiter gestartet.
HR-Director Lucas Kohlmann erklärt im Interview, wie man festlegt, welche digitalen Kompetenzen in fünf Jahren
wichtig sein werden, wen man bei solch einer Initiative unbedingt einbinden sollte – und wie so auch eine kulturelle
Transformation entstehen soll.

Interview: Hendrik Bensch

Herr Kohlmann, Henkel will alle Mitarbeiter fit für die Herausforderungen der Digitalisierung machen. Wie sieht die „Digital Upskilling“-Initiative genau aus?

Unsere Fortbildungsinitiative hat zwei Säulen. Zum einen gibt es einen Test zum digitalen Allgemeinwissen, unseren sogenannten Digital BaseFit. Dabei geht es um Fragen rund um die Digitalisierung, etwa zu modernen Arbeitsformen oder Technologiethemen. Zum Beispiel: Was ist ein Bitcoin oder eine Blockchain? Oder: Was ist eine Customer Experience? Ganz am Ende erhält jeder Mitarbeiter ein Trainingsangebot, mit dem er die Wissenslücken füllen kann. Das Angebot ist für alle gedacht, weil wir alle mitnehmen wollen. Der zweite Teil unserer Initiative ist unser sogenannter Digital ExpertFit. Dabei geht es um die speziellen digitalen Fähigkeiten in zehn Job-Gruppen bei Henkel, wie etwa im Marketing, Vertrieb oder in der IT.

Warum sollen sich Mitarbeiter mit Themen – wie etwa dem Bitcoin – beschäftigen, die nicht zwingend etwas mit ihrem beruflichen Alltagsgeschäft zu tun haben?

Wir wollen damit Ängste zur Digitalisierung abbauen und den Beschäftigten vermitteln: Ich kann bei den Themen mitreden und weiß, worum es geht. Das ist unter anderem wichtig, weil die Altersspanne unserer Mitarbeiter groß ist. Es geht außerdem darum, Spaß am Lernen zu vermitteln. Deswegen haben wir auch einen spielerischen Ansatz gewählt: Die Fragen sind in eine Geschichte eingebettet, um die Mitarbeiter an das Thema unterhaltsam heranzuführen.

Durch den ExpertFit sollen die Beschäftigten Fertigkeiten erlernen, die in drei bis fünf Jahren wichtig sind. Wie sind Sie dabei vorgegangen?

Wir haben die Fertigkeiten zusammen mit einer Unternehmensberatung erarbeitet. Von den Beratern kamen zunächst Vorschläge dafür, welche strategischen Fähigkeiten in Zukunft wichtig sein werden. Diese haben wir dann für uns bei Henkel angepasst. Ganz wichtig war, dass wir das nicht in der Human-Resources-Abteilung allein entwickelt haben, sondern immer zusammen mit den einzelnen Unternehmensbereichen. Ich denke, das ist einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren bei der Initiative.

Warum ist das so wichtig?

Das hat dazu geführt, dass alle beteiligt waren und hinter dem Programm stehen. So gibt es in jedem Bereich quasi Botschafter, die vermittelt haben: Das ist ein gutes Angebot, macht mit! Deswegen haben wir im letzten Schritt auch das O.K. vom Topmanagement eingeholt: Die Topmanager aus den jeweiligen Bereichen haben noch einmal das Set an Fähigkeiten für ihren Bereich, zum Beispiel das Marketing, abgesegnet.

Nachdem Sie die zukünftigen Fähigkeiten festgelegt hatten, haben Sie die Mitarbeiter online anonym einschätzen lassen, wo sie selbst mit ihren Fähigkeiten stehen – und dann dementsprechend Trainings entwickelt. Wie sah das genau aus?

Wir entwickeln Trainings für die einzelnen Gruppen. Dazu gehören zum einen Lerneinheiten auf einer digitalen Plattform. Dabei werden die einzelnen Lernmodule immer wieder durch ein Quiz unterbrochen. So können die Mitarbeiter ihren Fortschritt prüfen. Sie können sich auf der Plattform auch über die Inhalte der Trainings austauschen, diese bewerten und kommentieren. Das ist eine gute Möglichkeit für uns, um unsere Qualität kontinuierlich zu verbessern. Außerdem bieten wir Live-Sessions mit Experten aus unserem Unternehmen an. Das kann zum Beispiel mit einem Kollegen sein, der Experte für digitales Marketing ist. Auch Workshops können Teil des Trainings sein.

Woher stammen die Inhalte für diese Trainings?

Zunächst haben wir für jeden Bereich externe Lernanbieter ausgewählt. Es gab dann Test-Workshops mit den Mitarbeitern aus den einzelnen Jobgruppen, die auch die Fähigkeiten definiert hatten. In den Test-Workshops haben die Lernanbieter gezeigt, wie man die Trainings gestalten kann. Wir haben dann anhand des Feedbacks die Trainings konzipiert. Jede Jobgruppe war dabei frei, ihr Angebot so zu gestalten, wie sie es wollte. Manche eignen sich die Fähigkeiten nun über mehrere Monate hinweg an. Andere greifen eine einzelne Fähigkeit heraus und machen dazu einen Zweitagesworkshop. Wir von Human Resources haben nur ein Format empfohlen, aber niemanden darauf festgelegt.

Und wie viele Stunden investiert ein Mitarbeiter dann insgesamt in ein Training?

Die Selbsteinschätzung dauert etwa 20 bis 40 Minuten. Die Trainings sind – je nach Jobgruppe – unterschiedlich lang. Beim Marketing beispielsweise sind es insgesamt 20 bis 30 Stunden Aufwand.

Wie individuell sind die Trainingsangebote eigentlich auf die Mitarbeiter zugeschnitten?

Wir gehen runter bis auf die Ebene einer Gruppe, also zum Beispiel Finance. Weiter lässt sich das nicht herunterbrechen.

Und was ist mit den Mitarbeitern, die schon sehr viel Wissen zur Digitalisierung mitbringen und möglicherweise nicht mehr viel Neues durch Ihr Angebot lernen?

Diese Experten nennen wir bei uns die „Digital Gurus“.Wenn wir bei den anonymen Selbsteinschätzungen gemerkt haben, dass jemand Experte in einem Bereich ist, haben wir ihn gebeten, sich bei uns zu melden – und dann sein Wissen weiterzugeben. Sie sind nun zum Beispiel bei Trainings eingebunden. Im nächsten Schritt wollen wir ihnen ein eigenes Angebot machen: Train-the-Trainer-Module. So können sie lernen, noch besser ihr Wissen zu vermitteln.

Die Fortbildung ist freiwillig: Welche Anreize haben Sie gesetzt, damit möglichst viele Beschäftigte mitmachen?

Im Vorfeld der Initiative haben wir das Angebot mit einer kleinen Kampagne beworben. Zum Start gab es ein großes Auftaktevent bei uns in der Konzernzentrale in Düsseldorf, ausgerichtet von unserer Personalvorständin Sylvie Nicol und Rahmyn Kress, Leiter von Henkel X Ventures. Die Veranstaltung wurde live über Skype an alle Henkel-Mitarbeiter weltweit übertragen. Zudem haben wir unsere Initiative breit intern über Artikel in unserem Intranet, unserem Mitarbeitermagazin und Bildschirme in den Kantinen beworben. Positiv hat sich sicherlich auch ausgewirkt, dass die Selbsteinschätzung anonym war: So war die Hürde mitzumachen weniger hoch. Und es hat die Mitarbeiter darin bestärkt, ehrlich zu antworten und dadurch ihre Wissenslücken zu entdecken. Ich denke, hilfreich war auch, dass wir beim BaseFit einen spielerischen Ansatz gewählt haben und die Leute so gesehen haben: Lernen kann Spaß machen!

Die Initiative soll noch bis Ende dieses Jahres laufen. Dann wollen Sie schauen, wie die Maßnahmen gegriffen haben. Was wollen Sie künftig vielleicht anders machen?

Wir sehen an den Teilnahmeraten, dass die Mitarbeiter die Trainings gut annehmen. Auch die Ratings sind gut. Trotzdem: Es ist nicht so leicht, bei allen zu verankern, sich Zeit für die Onlinetrainings im Arbeitsalltag zu nehmen.

Was wollen Sie also machen?

Vielleicht wird es noch ein Event geben. Möglicherweise holen wir externe Sprecher, die noch einmal deutlich machen, warum es so wichtig ist, sich digitale Fähigkeiten anzueignen. Und erklären, warum Lernen etwas ist, das man für sich selbst tut. Wenn wir es schaffen, die Lust am Lernen aufrechtzuerhalten, dann führt die Digital Upskilling-Initiative auch zu einer kulturellen Transformation. So können wir dazu beitragen, die digitale Transformation auch unternehmensweit weiter voranzutreiben.

Die Initiative läuft jetzt seit Sommer 2018. Was haben Sie für sich persönlich aus der Zeit mitgenommen?

Mir hat es noch einmal gezeigt: Bei der Digitalisierung geht es zum großen Teil darum, zu verstehen, wie einzelne Technologien genau funktionieren – und wie man sie für das eigene Geschäft beziehungsweise die eigenen Aufgaben gewinnbringend einsetzt. So lässt sich Neugier bei den Mitarbeitern wecken. Wenn ich zum Beispiel weiß, wie Digital Analytics – also das Sammeln, Messen und Analysieren von digitalen Daten – funktioniert und was das für meine Arbeit bei Henkel bedeuten kann, ist schon viel gewonnen. Dann bleibt die Digitalisierung nicht einfach nur ein schönes Buzzword.


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