Open Innovation bei Bayer

Erfolg macht nicht zwangsläufig behäbig. Längst haben sich die Global Player der Gesundheitsindustrie Beweglichkeit verordnet. Open Innovation, eine offene Transformationskultur, soll die Basis künftiger Erfolge bilden. Wie das gelingen kann? Ein Laborbesuch in San Francisco.

Von Dr. Stephan Balling

Viel Raum haben Terry Hermiston und sein Team nicht, hier an dem Viererschreibtisch, den er sich mit drei Kollegen im ersten Stock des „CoLaborator“ von Bayer in San Francisco teilt. Hermiston blickt auf eine lange Karriere in der Forschung des Leverkusener Weltkonzerns zurück, aus der heraus der Mikrobiologe im Jahr 2017 Coagulant Therapeutics gründete, als Spin-off des Pharmariesen. Das Ziel: ein Medikament entwickeln, dass beispielsweise bei inneren Verletzungen helfen soll, Blutungen zu stoppen. Seine Mission dabei: Leben zu retten.

Tradition und Innovation verbinden sich hier in Amerika. Etablierte Pharmaunternehmen setzen auf die Ideen junger Unternehmen und Bayer unterstützt Mitarbeiter, die den Konzern verlassen, um ihr eigenes Unternehmertum zu wagen. Den Kitt für diese neue Denke in der Führung von Unternehmen bildet ein offener Geist, eine Haltung, den anderen zunächst mal als potenziellen Partner zu sehen und nicht sofort mit Argwohn als Konkurrenten. Es geht um das Denken in Ökosystemen. Hier im Haus des CoLaborator von Bayer können junge Firmen Räumlichkeiten finden, Labore, Schreibtische und Kaffeemaschinen, um die ersten Schritte zu gehen. Bayer hofft auf eine gegenseitig nutzenbringende Partnerschaft. Oftmals verlassen Mitarbeiter einen großen Konzern, weil sie aufgrund von komplexen Strukturen einer Großorganisation Ideen innerhalb des alten Unternehmens nicht umsetzen können. In Deutschlands traditionellen Unternehmen gilt das in der Old Economy oftmals noch als Hochverrat. Bei Bayer in San Francisco hat man sich dagegen einer anderen Haltung verschrieben. Warum nicht weiter zusammenarbeiten, zum Nutzen aller Beteiligten?

Mehr als 100 Jahre Erfahrung habe man, heißt es auf der Website von Coagulant Therapeutics unter Verweis auf die Herkunft des Gründers aus dem Bayer-Konzern. Dazu kommen mehr als 30 Patente von Bayer und Maxygen, einer jungen Firma, die mithilfe gentechnischer Verfahren proteinbasierte Medikamente verbessern will.



Coagulant Therapeutics steht damit modellhaft für das Open-Innovation-Konzept, nach dem Bayer mit Start-ups und anderen Unternehmen kollaboriert. Wer die Ebene des CoLaborator im Gebäude in der 455 Mission Bay Blvd South in San Francisco, Kalifornien, betritt, sieht zuerst das große Bayer-Kreuz, daneben prangen aber direkt die Logos von Jungunternehmen: CAIRN Biosciences, DNA Lite, Nalo Therapeutics und eben Coagulant Therapeutics. „Open Innovation bedeutet, über die eigenen vier Wände hinaus zu blicken, um Therapien für Patienten zu entwickeln“, beschreibt der Hausherr des CoLaborator von Bayer in San Francisco, Dr. Chris Haskell, den herrschenden Spirit. Haskell ist Vice President und Head Open Innovation Center – North America West bei Bayer.

Spirit und Kultur, vielleicht lässt sich nur mit diesen Begriffen beschreiben, um was es bei Open Innovation geht. Mit dieser Haltung gilt es, eine offene Kultur zu verankern, die nicht zuvorderst auf Regeln, sondern vor allem auf Vertrauen aufbaut mit dem Ziel, Ideen und Forschungsansätze von außen ins Unternehmen zu holen.

Den meisten Besuchern aus Deutschland mit seiner Vorsichtskultur dürften angesichts dieser Eindrücke sofort Bedenken kommen, noch ehe sie die Vorteile abwägen: Besteht nicht die Gefahr, dass Firmen die Bayer-Gastfreundschaft nutzen und bei Erfolg weiterziehen, ohne dass Bayer davon profitiert? Oder gar, dass sie Firmenwissen abziehen? Die Chancen aus der Offenheit seien viel größer als die Risiken, erklärt Haskell. Er stammt aus Kalifornien, studierte Biomedical Engineering an der renommierten Berkeley University, und erhielt seinen Doktorgrad in Zellbiologie 1996 von der Universität in Davis.

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