Wie kann der Pflegeberuf attraktiver werden?

Wer den Pflegeberuf attraktiver machen will, sollte nicht nur auf bessere Arbeitsbedingungen, sondern auch auf eine bessere Bezahlung setzen. Denn beim Blick auf die Gehälter wird deutlich: Insbesondere die Pflegekräfte mit Führungsverantwortung verdienen im Vergleich zu anderen Berufsgruppen zu wenig.

Von Dr. Stephan Balling

Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger seien oft zu passiv, bemängelte jüngst Heide Schneider, Vorstandsvorsitzende der jungen Pflege-Gewerkschaft Bochumer Bund. „Die Gesellschaft muss verstehen, dass Pflege eine Profession ist, die ihren Preis hat“, verlangt sie in einem Beitrag auf der Internetseite ihrer Gewerkschaft. Eine seltene Äußerung. Heißt es doch normalerweise, der Pflege ginge es gar nicht so sehr ums Geld, sondern vielmehr um bessere Arbeitsbedingungen und darum, Missstände im Gesundheitssystem insgesamt zu beseitigen. Die Präsidentin des Deutschen Pflegerats, Christine Vogler, stößt ins gleiche Horn wie Schneider. Sie gerät sogar ein wenig in Rage, wenn es heißt, die Bezahlung sei in der Pflege gar nicht das Problem. „Der Spruch, der Pflege ginge es ja gar nicht um mehr Geld, ist eine Unverschämtheit gegenüber unserer Profession“, sagt sie im Gespräch mit „Transformation Leader“ und ergänzt: „Wir leben in einer Gesellschaft, in der Leistung auch mit Geld bewertet wird und Anerkennung darüber ausgedrückt wird. Das zugrunde gelegt, wird die Leistung von Pflegefachpersonen nicht hochgeschätzt.“ Vogler warnt weiter: „Wenn sich hier nicht schnell etwas ändert, dann geht der Exodus aus der Pflege weiter, dann wird es künftig aber auch nur noch sehr begrenzt Hochleistungsmedizin geben, das muss der Gesellschaft klar sein.“

Klar ist: Pflege in Deutschland muss besser bezahlt werden. Das gilt auch im Krankenhaus, wo es um hochqualifizierte Tätigkeiten geht.

Wie viel eine Pflegefachperson nach einer dreijährigen Ausbildung in Deutschland verdient, regeln Tarifverträge. Für die vielen kommunalen Häuser gilt die P-Tabelle des Tarifvertrages Öffentlicher Dienst (TVöD). Die niedrigste Eingruppierung bedeutet in Stufe P7 ein Bruttoeinkommen von 2.932,41 Euro, wie die entsprechende Tabelle auf der Internetseite oeffentlicher-dienst.info zeigt. Das ist immerhin deutlich mehr als ein Kfz-Mechaniker nach der Ausbildung verdient – je nach Bundesland sind es etwa 2.000 bis 2.400 Euro. Dazu kommen in der Pflege auch noch Schichtzuschläge.

Stationsleitungen erreichen die Entgeltgruppe P12 und verdienen zwischen rund 4.000 und 4.700 Euro. Das sieht erst mal nach einem ordentlichen Gehaltssprung aus für diejenigen, die Führungsaufgaben im Krankenhaus übernehmen. Pflegeratspräsidentin Vogler verweist aber auf eine unvollständige Rechnung: „Stationsleitungen verlieren Schichtzulagen und verdienen mitunter weniger als niedrigere Entgeltgruppen. Managementfunktionen werden nicht gewürdigt.“ Selbst wer eine größere Station leitet und in Entgeltgruppe P13 eingruppiert ist, kann in der Pflege nicht mehr als 5.000 Euro brutto verdienen. Ein wissenschaftliches Studium und noch mehr Verantwortung können im besten Fall zu einem tarifvertraglichen Verdienst von knapp über 6.000 Euro führen.

Nicht schlecht, mögen sich Verkäufer bei Aldi oder Lidl denken. Auch Kfz-Mechatronikerinnen können solche Beträge als Angestellte nicht erreichen. Die unmittelbaren Kollegen der Pflege im Krankenhaus dagegen wären mit den Gehältern in der Pflege sicher kaum für die anstrengende Tätigkeit in der Klinik zu gewinnen. Mediziner haben mit dem Marburger Bund eine eigene Gewerkschaft. Der Tarifvertrag enthält eine Vergütungstabelle für Ärzte, die in der niedrigsten Entgeltgruppe 1 ein Brutto von 4.694,75 Euro ausweist. Eine Ärztin im Krankenhaus verdient also mindestens so viel wie ein Stationsleiter in der Pflege maximal erreichen kann. Bleibt sie in der untersten Entgeltgruppe 1 für Ärzte an kommunalen Krankenhäusern und erreicht Stufe 6, übertrifft sie mit knapp über 6.000 Euro das maximal mögliche Gehalt einer Pflegefachperson im Krankenhaus, egal, wie gut diese ausgebildet ist, ob sie studiert hat oder Leitungsverantwortung trägt. Erst im außertariflichen Bereich können Pflegemanagerinnen und Pflegewissenschaftler das Niveau von Ärzten erreichen, das in deren Tarifverträgen verankert ist. Nur sehr wenige Beschäftigte in der Pflege dürften das tarifvertragliche Maximalgehalt einer Ärztin im Krankenhaus von 9.782,39 Euro erreichen. Finanziell zählt ein medizinisches Studium also viel mehr als ein pflegewissenschaftliches, selbst wenn eine Pflegefachperson zusätzlich zu ihrer Hochschulausbildung über Ausbildung und Weiterbildungen (beispielsweise in der Intensivpflege oder im Management) sowie Zusatzqualifikationen verfügt – und somit eine vergleichbar lange Ausbildung hinter sich hat wie ein Facharzt. Es ist vor allem der zwischen der Gewerkschaft Verdi und den kommunalen Arbeitgebern ausgehandelte Tarifvertrag für die Pflege, der diese im Krankenhaus finanziell zu einem Assistenzberuf macht, sie eindeutig den ärztlichen Kollegen unterordnet. Ein Blick auf die Entgelttabellen für Ärzte und Pflegefachpersonen zeigt: Augenhöhe der Berufsgruppen ist im deutschen Krankenhauswesen eine Fata Morgana.

Wie lässt sich das ändern? Vermutlich muss die Bewegung aus der Pflege selbst kommen. Der Bochumer Bund, der nachahmen will, was die Ärzte bereits seit Jahrzehnten mit dem Marburger Bund erfolgreich praktizieren, ist ein Ansatz. „Die Führung beim Bochumer Bund ist sehr professionell aufgestellt“, lobt Pflegeratspräsidentin Vogler. Laut Internetseite hat die neue Berufsgewerkschaft Stand Anfang Februar 2.082 Mitglieder. Um wirklich etwas zu verändern, müssten es mehr werden, sehr viel mehr. Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger müssten aktiver werden.