Was sind Future Skills?

Lernen lernen, lautet die Business-Challenge dieser Zeit; sich selbst und dem Unternehmen geistige Beweglichkeit, Flexibilität und Agilität einhauchen. Nicht nur das Erlernen neuer Skills ist gefragt, sondern permanente Wandelbarkeit.

Von Stefan Deges

„Die Fähigkeit, schnell zu lernen, wird zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil in einer Welt des raschen Wandels.“

John Seely Brown

Green Skills und Tech Skills: In Singapur wird mit den Kompetenzen der Zukunft Gegenwart gestaltet. (Foto: Shutterstock)

Bist Du fit für morgen?

In einer Ära des rasenden technologischen Fortschritts und einer sich ständig wandelnden Businesswelt stehen wir vor beispiellosen Herausforderungen. Die Zukunft erscheint oft unberechenbar und die Geschwindigkeit des Wandels ruft nicht selten Ängste hervor. „Zukunftsfähige Unternehmen gehen achtsam mit der Digitalisierung um und priorisieren den ,Kreativfaktor Mensch‘“, mahnt der Zukunftsforscher Matthias Horx. Er hält menschliche Kompetenzen für die Kernressource der Zukunft. Ich nenne diese Kompetenzen „Future Skills“. Sie betreffen jeden Einzelnen und entscheiden in Summe über Wohl und Wehe eines Unternehmens. Folglich lautet die große Challenge für Führungskräfte, die Transformation im Corporate Skill-Mix zu organisieren.

Fachwissen verändert sich in immer kürzeren Zyklen, die Halbwertszeit einmal gewonnenen Wissens verkürzt sich rapide. Dieses Wissen muss in immer neuen und sich verändernden Lern- und Arbeitssituationen eingesetzt und „situativ“ reflektiert werden (können). Strukturierte Datenbestände in netzgestützten Fach-Communitys ermöglichen die schnelle und zielgerichtete Suche nach Informationen, die für die Ausführung der Facharbeit benötigt werden. Diese Beschreibung aus dem „Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2013“ des Bundesinstituts für Berufsbildung trifft auch heute noch auf die am besten ausgebildeten Fachkräfte zu. Selbst akademisches Wissen ist betroffen. Und auch für das ausgefeilte Portfolio beispielsweise eines Universitätsklinikums sind das schlechte Nachrichten, denn „empirische, branchen- übergreifende Untersuchungen stellen kontinuierliche Verkürzungen der Produktlebenszyklen und die Abnahme des durchschnittlichen Produktalters in den zurückliegenden Jahrzehnten fest“ (Castiglioni 1994). In der Industrie wurde dies schon vor vielen Jahren nachgewiesen. Siemens realisierte 1975 mit Produkten, die weniger als sechs Jahre alt waren, rund 40 % des Umsatzes, zehn Jahre später waren es bereits 56%. Strategien werden kopierbar, Organisationen vergleichbar, menschliche Leistungen austausch- oder von Algorithmen ablösbar.

Schnelle Informationsverfügbarkeit und Omnipräsenz dieses Fundus im Web sorgen für eine abermalig beschleunigte Wissensentwertung. Parallel dazu verdoppelt sich das verfügbare Wissen in immer kürzeren Zyklen. So wächst vielerorts die Diskrepanz zwischen den Fähigkeiten, über die Mitarbeiter bereits verfügen, und denen, die für die Arbeit in der digitalen Welt unabdingbar sind.

Gilt das ökologische Gesetz des Lernens auch für Organisationen, überlebt eine Spezies nur dann, wenn ihre eigene Lerngeschwindigkeit mindestens so groß ist wie die Änderungsgeschwindigkeit ihrer Umwelt, dann genügt es für ein Überleben im Wettbewerb nicht mehr, neue Inhalte besser zu lernen als die Konkurrenz. Es kommt auf die Lerngeschwindigkeit an (Simon et al. 2000).

Und auf welche Skills wird es in der Zukunft ankommen?

Future Skills finden immer seit einigen Jahren Niederschlag in akademischen Forschungspapieren, Fachpublikationen und Experteninterviews. Dazu gehören Studien und Berichte von renommierten Institutionen wie dem World Economic Forum, der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), der Harvard Business Review und anderen.

Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft hat gemeinsam mit der Unternehmensberatung McKinsey & Company einen Future-Skills-Framework entwickelt, indem 21 essenzielle Kompetenzen identifiziert werden, die in vier Hauptkategorien unterteilt sind: „Klassische Kompetenzen“, „Digitale Schlüsselkompetenzen“, „Technologische Kompetenzen“ und „Transformative Kompetenzen“. Diese Kompetenzen sind nicht nur wichtig für die persönliche Entwicklung jedes Einzelnen, sondern auch für den Erfolg von Unternehmen und Organisationen in einer zunehmend digitalisierten und vernetzten Welt. Aber selbst wenn man dieser Kategorisierung nicht zu hundert Prozent folgen möchte, verbirgt sich doch hinter jeder Kategorie konkretes Anschauungsmaterial, wie Unternehmen den Wandel meistern können.

Ein Beispiel für die praktische Anwendung von Future Skills bietet das Unternehmen Google. Mit seinem Programm „Learning Expeditions“ ermöglicht Google seinen Mitarbeitern, in verschiedene Branchen und Fachgebiete einzutauchen, um neue Perspektiven zu gewinnen und innovative Ideen zu fördern. Diese Art von initiativem Lernen und die Fähigkeit, sich ständig an neue Situationen anzupassen, sind Schlüsselkomponenten von Future Skills und zeigen, wie Unternehmen durch Investitionen in die Entwicklung ihrer Mitarbeiter einen Wettbewerbsvorteil erlangen können.

Beispiele für Future Skills

Vielleicht der wichtigste Skill ist die „Lernbereitschaft und Selbstreflexion“. In einer Welt, in der sich Technologien und Branchen ständig verändern, ist die Fähigkeit, kontinuierlich neues Wissen aufzunehmen und sich anzupassen, entscheidend. Dies erfordert eine Offenheit für Veränderungen und die Bereitschaft, aus Erfahrungen zu lernen. Und es betont, warum sich mein Unternehmen dem Corporate Learning widmet.

Ein weiterer entscheidender Skill ist die „Digitale Kompetenz“. Dies umfasst nicht nur das Verständnis von digitalen Technologien und Werkzeugen, sondern auch die Fähigkeit, kritisch mit digitalen Informationen umzugehen, Digitales ethisch zu hinterfragen und effektiv in digitalen Umgebungen zu kommunizieren und zu kollaborieren. Künstliche Intelligenz nimmt dementsprechend einen breiten Raum in dieser Wissenswelt ein.

„Analytische Fähigkeiten und Problemlösungskompetenzen“ sind ebenfalls unverzichtbar. In einer Welt, die von Daten und Informationen überflutet ist, ist die Fähigkeit, relevante Informationen zu identifizieren, zu analysieren und fundierte Entscheidungen zu treffen, von entscheidender Bedeutung. Dazu gehört auch die Fähigkeit, sich innerhalb neuer regulativer Rahmenbedingungen zurechtzufinden. Die wachsenden Anforderungen an das unternehmerische Nachhaltigkeitsmanagement beispielsweise erfordert eine Reihe neuer Skills  – auch wenn nicht sogleich einen Chief Sustainability Officer geben muss.

Neben technischen Fähigkeiten sind „Soft Skills“ wie Kommunikation, Zusammenarbeit, Führung und Empathie von entscheidender Bedeutung. In einer zunehmend vernetzten Welt sind die Fähigkeiten, effektiv zu kommunizieren, Teams zu leiten und mit Vielfalt umzugehen, unerlässlich für den Erfolg.

Diese Beispiele verdeutlichen, dass Future Skills nicht nur abstrakte Konzepte sind, sondern konkrete Fähigkeiten, die es ermöglichen, sich in einer sich ständig verändernden Welt zu behaupten. Indem wir uns bewusst auf die Entwicklung dieser Kompetenzen konzentrieren, können wir uns besser auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereiten und Chancen für persönliches und berufliches Wachstum nutzen.

Die damit einhergehende Herausforderung für Führungskräfte könnte größer kaum sein. Sie müssen ihr Wissen nicht nur selbst aktualisieren, sondern parallel auch die Organisation entwickeln. Sie sind dafür verantwortlich, dass eine innovationsfreundliche Kultur entsteht, und müssen in der Belegschaft ein Bewusstsein für all die neue Anforderungen schaffen, seien es technische wie etwa Künstliche Intelligenz oder ökologische und soziale (ESG).

Vor diesem Hintergrund hatte ich 2019 das Magazin „Transformation Leader“ gegründet. Seither kuratiere und kommentiere ich Unternehmenserfahrungen rund um die Themen Corporate LearningDigitalisierungDisruptionInnovationskultur, Künstliche IntelligenzLeadershipNachhaltigkeitNew WorkÖkosystem und Soft Skills. Aus Gros der Texte aus „Transformation Leader“ findet sich inzwischen in dieser TUTOOLIO-Wissenswelt.

Quellen & Inspiration:

  • Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2013 des Bundesinstituts für Berufsbildung: https:// datenreport.bibb.de/media2013/BIBB_Datenreport_2013.pdf.
  • Elisabetta Castiglioni (1994): Organisatorisches Lernen in Produktinnovationsprozessen, Deutscher Universitätsverlag.
  • Hermann Simon, Georg Tacke, Ralph Engelmann (2000): Kunden- und Konkurrenzzentrierung als Entwicklungschance der lernenden Organisation. In: Martin K. Welge (Hrsg.): Management Development Praxis, Trends, Perspektiven.